Kristine Bilkau – Die Glücklichen

"buchhandel.de/ Es gibt Bücher, die mich und mein Leben ganz unmittelbar berühren. »Die Glücklichen«, der Debütroman der Journalistin Kristine Bilkau, ist solch ein Buch. Als im Frühjahr die ersten Rezensionen auftauchten, wusste ich sofort, dass ich dieses Buch lesen will.

Sind sie wirklich glücklich die Glücklichen?

Isabell und Georg wohnen in einem nicht genannten Großstadtviertel, das »angesagt« ist für junge Akademikerfamilien und für die Selbständigen in kreativen Berufen. Schon auf den ersten Seiten hatte ich den Berliner »Prenzlauer Berg« vor Augen, die Gründerzeitfassaden, das Grün, die Cafés und die vielen jungen Familien, die mir dort begegnet sind. Isabell und Georg entsprechen jedoch nicht ganz dem Klischee für solche Stadtteile. Sie sind keine Zugezogenen, sondern wohnten schon als Kinder dort. Isabell zog als Zehnjährige mit ihrer Mutter in die Wohnung, in der sie jetzt mit Georg und dem einjährigen Sohn Matti lebt. Georg wuchs im Viertel auf, seine Eltern besaßen einen Laden für »Rundfunk und Fernsehen« und waren angesehene Geschäftsleute bis die großen Elektromärkte ihnen Konkurrenz machten. Weiterlesen

Anne von Canal – Der Grund

Der Grund»Der Grund« ist der Debütroman von Anne von Canal (Jahrgang 1973). Sie arbeitete einige Jahre in verschiedenen Verlagslektoraten und auch als Übersetzerin. Anne von Canal (kein Künstlername sondern der Name ihres Mannes) studierte Germanistik und Anglistik, fühlte sich aber beim nachmittäglichen Jobben in einer Buchhandlung wohler als in der Uni. Erst als sie auch das Studienfach Skandinavistik belegte, entwickelte sie Leidenschaft für das wissenschaftliche Arbeiten mit Literatur. Ein Jahr lebte sie in Oslo. Folgerichtig ist die Handlung ihres Romans auch größtenteils in Skandinavien angesiedelt, in Schweden und Estland. Inzwischen gibt es das Buch auch in estnischer Übersetzung.

»Der Grund« erschien im mareverlag Hamburg, von dem ich bisher nur die Zeitschrift »mare« mit dem anspruchsvollen Layout und den beeindruckenden großformatigen Fotos zu maritimen Themen kannte. So ist es wahrscheinlich auch nicht verwunderlich, dass die typographische Gestaltung des Buches keine Massenware ist und mir sehr gut gefällt. Weiterlesen

Bücherkoffer Nr. 27

Hängebett

Zum Lesen gut geeignet – ein Hängebett in unserem Urlaubsdomizil

Kürzlich hatte ich die Gelegenheit auf »Philea’s Blog« in der schönen Reihe »Bücherkoffer« Gedanken zu meiner Urlaubslektüre zu veröffentlichen. Vielen Dank noch mal dafür, liebe Petra.

Claudias Blog Über den Kastanien gehört zu jenen Blogs, die die Behauptung, Blogartikel müssten kurz sein, um gelesen zu werden, für mich aufs Schönste widerlegen. Denn ihre Beiträge sind so interessant, dass ich sie auch und besonders wegen ihrer Ausführlichkeit schätze. Ihren Bücherkoffer packt Claudia ebenfalls nicht so nebenbei.

Zum vollständigen Text geht es hier

Kafka in Berlin

Wenn es möglich wäre, nach Berlin zu gehn, selbständig zu werden, von Tag zu Tag zu leben, auch zu hungern, aber seine ganze Kraft ausströmen lassen statt hier zu sparen oder besser sich abzuwenden in das Nichts! (Franz Kafka, Tagebuch vom 5. April 1914)

Franz Kafka 1923, Bildquelle (1)

Paris und Berlin waren die Sehnsuchtsorte der Prager Intellektuellen zu Beginn des 20. Jahrhunderts. In Ihrer Heimatstadt lebten sie isoliert und Wien, die Hauptstadt der Donaumonarchie Österreich-Ungarn, war für Kafka ein »absterbendes Riesendorf«.

Im Herbst 1910 fuhr Kafka nach gründlichen Vorbereitungen zusammen mit seinem Freund Max Brod und dessen Bruder nach Paris. Auf dieser Reise wurde er jedoch krank und musste vorzeitig nach Prag zurückkehren. Da er nach seiner Genesung noch einige Urlaubstage zur Verfügung hatte, reiste er im Dezember 1910 kurzerhand allein das erste Mal nach Berlin und genoss dort vor allem das Theaterleben und die vegetarischen Restaurants. Nach seiner Rückkehr schrieb er begeistert an Max Brod: Weiterlesen

Briefe eines Überlebenden

In den Jahren 1940 bis 1945 wurden in die Konzentrationslager Auschwitz mindestens 1,1 Millionen Juden, 140.000 Polen, 20.000 Sinti und Roma sowie mehr als 10.000 sowjetische Kriegsgefangene deportiert. Knapp über 400.000 Häftlinge wurden registriert. Von den registrierten Häftlingen sind mehr als die Hälfte aufgrund der Arbeitsbedingungen, Hunger, Krankheiten, medizinischen Versuchen und Exekutionen gestorben. Die nicht registrierten 900.000 nach Birkenau Deportierten wurden kurz nach der Ankunft ermordet. Als Obergrenze der Todesopfer im Konzentrationslager- und Vernichtungslagerkomplex Auschwitz wird die Zahl von 1,5 Millionen Opfern angegeben. (aus Wikipedia)

Heute vor 70 Jahren wurde das KZ Auschwitz durch sowjetische Truppen befreit. Zu den 8.000 befreiten Menschen gehörte auch Otto Frank, der Vater von Anne, deren Tagebuch weltberühmt wurde.

Am 23. Feburar 1945 schickte er seiner Mutter aus Auschwitz ein erstes Lebenszeichen. Auf die Rückseite eines Formulars mit Anordnungen des Lagerkommandanten schrieb er: Weiterlesen

Peter Stamm – Seerücken

IMG_20140715_133914Bei »meinem« Buchhändler gibt es gleich neben der Tür ein Regal mit Büchern aus der »FischerTaschenbibliothek«. Immer mal wieder schaue ich mir eins von diesen kleinen Büchlein an, weil mir das handliche Format mit den abgerundeten Ecken gefällt und die Reihe ähnlich wie die kleinen »Inselbändchen« zum Sammeln einlädt. Gekauft habe ich bisher trotzdem keins. Schnöde Vernunftgründe wie Sparsamkeit und Platzmangel im Bücherregal hielten mich davon ab. Viele Titel kenne ich nämlich schon oder besitze sie sogar in anderen Ausgaben.

Vor kurzem habe ich nun aber ein Büchlein aus dieser schönen Reihe geschenkt bekommen: »Seerücken« ist ein Band mit Erzählungen des Schweizer Autors Peter Stamm, der mir bisher weitgehend unbekannt war. Zwar fand ich in meinem Bücherregal noch den Erzählband »Wir fliegen« von ihm, aber der fiel, warum auch immer, meiner »Bücheramnesie« zum Opfer und wanderte jetzt wieder auf meine Leseliste. Weiterlesen

Poesiealbum 305 – Cyprian Norwid

IMG_20140708_130959»NORWID« – ist das nicht diese Fahrradmarke? Ja auch, aber es ist vor allem der Name eines der bedeutendsten polnischen Dichter, der leider hierzulande fast völlig unbekannt ist. In unserer Stadtbibliothek konnte ich jedenfalls nichts von oder über ihn finden. Überhaupt gibt es dort nur sehr wenige Bücher mit polnischer Lyrik, obwohl unser Nachbarland Polen nicht weit entfernt ist.

Schon immer gehörte es zu den Intentionen der Lyrikreihe »Poesiealbum« wenig bekannte Dichter einer breiteren Öffentlichkeit vorzustellen. Das Heft 305 enthält Gedichte von Cyprian Kamil Norwid (1821 bis 1883) in einer Auswahl von Rolf Fieguth, von dem auch die meisten Nachdichtungen, darunter einige Neuübertragungen, stammen. Außerdem ist die Ausgabe mit einer Grafik von Norwid ausgestattet. Weiterlesen

»Paris, ein Fest fürs Leben« – Gedanken zum Umgang mit einem Manuskript

»Ernest begann im Herbst 1957 auf Kuba mit der Niederschrift dieses Buches, arbeitete daran im Winter 1958/59 in Ketchum, Idaho, und nahm es mit, als wir im April 1959 nach Spanien fuhren…Er beendete das Buch im Frühjahr 1960 in Kuba … Er überarbeitete das Buch im Herbst 1960 in Ketchum. Es behandelt die Jahre 1921 bis 1926 in Paris.« Mary Hemingway in einer Vorbemerkung in der postum veröffentlichten Ausgabe von »Paris, ein Fest fürs Leben« von Ernest Hemingway, 1964 bei Scribner, New York erschienen und in der deutschen Übersetzung 1965 im Rowohlt Verlag

Jahrzehntelang glaubten die Leser von Hemingways bekanntestem Buch »Paris, ein Fest fürs Leben« (englischer Originaltitel »A Moveable Feast«) ein von ihm autorisiertes abgeschlossenes Werk vor sich zu haben. Bei genauerem Lesen der editorischen Notiz von Hemingways Witwe könnten zwar schon leichte Zweifel aufgetreten sein, ob das Manuskript wirklich schon abgeschlossen war. Immerhin erwähnte sie noch eine Überarbeitung im Herbst 1960. Man könnte es auch als offen betrachten, ob diese dann zur endgültigen Fassung führte oder nur ein Entwurf blieb.

IMG_20140617_163126Dem Leser blieb jedoch bis 2009, als die Neufassung des Buches mit dem Titel »A Moveable Feast.The Restored Edition« erschien, verborgen, was durch die Hemingway-Forschung schon seit den achtziger Jahren bekannt war: Die berühmten Erinnerungen Hemingways an seine Anfänge als Schriftsteller in Paris waren ein Fragment geblieben. Weiterlesen